Description
LESEPROBE
„Immer wieder entwirft Coates Werke, die mit ganz neu gebauten oder sich verändernden musikalischem Material arbeiten. In ihren Sinfonien bietet Coates eine breite Palette ihrer kompositorischen Problemstellungen und der Möglichkeiten, sie miteinander zu kombinieren. Schon in früheren Jahren hörte Coates vieles innerlich für Orchester, was sie dann oft aus aufführungstechnischen Gründen für Kammermusik setzte. Erst bei ihrer 7. Sinfonie – 1990/91 geschrieben – wurde Coates klar, dass sechs frühere Werke für Orchester hinsichtlich ihrer Länge, Besetzung und ihrem Inhalt eigentlich Sinfonien waren. Die Sinfonien Nr. 1 bis 6 wurden dann im Nachhinein durchnummeriert. Als erste Sinfonie zählte nun die 1973/74 entstandene „Music on Open Strings“, die beim Warschauer Herbst Aufsehen erregt hatte und 1980 als erste Orchesterkomposition einer Frau bei der „Musica Viva“-Reihe des Bayerischen Rundfunks erklang. ….
Wie hat sich ihr Stil herausgebildet? Welche Wurzeln haben Sie?
Hauptsächlich bin ich interessiert an Renaissance-Musik – und Kontrapunkt. Ich arbeitete von Anfang an viel mit kanonischen Formen. Und da ich auch Sängerin war, habe ich irgendwie, als ich sehr jung war, mich sehr für Obertöne interessiert. Damals durfte man beim Klavierspielen das Pedal nicht so lange halten. Aber ich mochte diese schwimmenden Klänge und benutzte sie in meinen Improvisationen, und auch später in meiner Klaviermusik und anderen Stücken, weil ich höre … ich glaube jeder Komponist oder jede Person hat ein anderes Gehör, eine andere Fähigkeit. Einer hört genau einen Ton, der andere hört alle Obertöne. Meine Begabung ist, dass ich neben den Obertönen auch die Untertöne höre.
Sie hören bei einem Ton noch tiefere mit?
In einem Akustikkurs habe ich auch die Untertöne mitgehört. Ich sagte: Ich höre das auch eine Oktave tiefer! Der Lehrer sagte: Das ist unmöglich. Dann habe ich es probiert, und immer wieder hörte ich auch die Untertöne. Interessanterweise stand dann kurz darauf in den New York Times die Entdeckung, dass in Russland jemand geforscht und herausgefunden hat, dass bei einem Ton nicht nur Obertöne, sondern auch Untertöne mitklingen. – Ich habe diese Fähigkeit irgendwie, auf eine andere Art zu hören vielleicht!“
Aus: Annäherung XIII, Dietlinde Küpper: „Was auch immer ich erfinde, es ist meine ganz aufrichtige Suche nach der Wahrheit“. Die Komponistin Gloria Coates, S. 51ff.