* 21.01.1858 in Paris † 18.03.1937 in Paris
Begegnung mit Musik zwischen Qual und Lust
Die französische Komponistin Mel Bonis (1858–1937)
Am Beispiel der französischen Komponistin Mel Bonis wird deutlich, dass man auch heute – in einer Zeit intensiver Erforschung vergangener Musikepochen – noch gelegentlich überraschende Entdeckungen machen kann. Diese Komponistin gehört zu den schöpferischen Musikerpersönlichkeiten der Jahrhundertwende, deren Kompositionen den Stürmen des damaligen musikstilistischen Umbruchs zum Opfer fielen und aus dem Bewusstsein der Musikszene verschwanden.
In einer musikfernen kleinbürgerlichen Pariser Familie aufgewachsen, kann die musikalisch hochbegabte Mélanie durch die Fürsprache César Francks das Conservatoire Supérieur besuchen, das sie aber trotz glänzender Erfolge nach einigen Jahren auf Geheiß der Eltern verlassen muss, um die Beziehung zu einem Mitstudenten zu beenden. Wenig später heiratet sie den 22 Jahre älteren Industriellen Albert Domange, der fünf Söhne mit in die Ehe bringt, schenkt drei eigenen Kindern das Leben und bringt 1899, unbemerkt von der Familie, eine uneheliche Tochter zur Welt – ein Konflikt, der vielleicht Auslöser ist für ihre fruchtbarste Schaffensperiode und ihre Musik zur eigentlichen Reife gelangen lässt. Auch nach der Zäsur des Ersten Weltkriegs, dem Tod ihres Mannes 1918 und ihres jüngsten Sohns 1932 bleibt sie trotz einer depressiven Grundstimmung bis zu ihrem Tod schöpferisch tätig.
Ihr Werk umfasst wunderbare Kammermusikwerke, weltliche und geistliche Lieder, Orgelkompositionen und Orchesterwerke und eine Fülle von Kompositionen für ihr ureigenstes Instrument, das Klavier – Mittel schöpferischer Verwirklichung und harmonischer Experimentierfreude.
Ihre Musik ist reich an melodischer und harmonischer Inspiration und nimmt im Laufe der Jahre raffinierte impressionistische Färbungen an. Ihr an César Franck geschultes Formbewusstsein hält sie nicht davon ab, zu neuen rhythmischen Mustern zu greifen, auch hin und wieder kühne Ausflüge in tonale Grenzbereiche zu wagen.
Dass Mel Bonis’ Musik heute so viele begeisterte ZuhörerInnen und SpielerInnen findet, erfüllt uns als ihre „Wiederentdecker“ mit tiefer Freude.
Ingrid Mayer