Beschreibung

CD: Bayreuther Hof Musique – Wilhelmines Musentempel 1734-1764
Bayreuther Hof Musique Bande
SAL 7009 Doppel-CD

REZENSION „… Bei dieser Aufnahme sind exquisite MusikerInnen am Werk – die Bayreuther Hof Musique Bande spürt Details nach, weiß Empfindsamkeiten ebenso überzeugend darzustellen wie zupackendes DraufgängerInnentum.“ (Anschläge)

Auf der CD:
Wilhelmine von Bayreuth (1709-1758):
Cembaloconcert (Concerto für Cembalo, Streicher und B. c. g-Moll), nach den wiedergefundenen Originalstimmen (Notenedition),
Arie „Un certo freddo orrore“ aus der Oper Argenore für Mezzosopran, Streicher und B.c.,
Christian Friedrich Döbbert (? – 1770):
Sonate für Traverso und Continuo op. I a-Moll, ca. 1749,
Anna Bon di Venezia (1739/40-nach 1767):
Sonata für Cembalo solo op. 2,5 h-Moll,
Adam Falkenhagen (1697-1754):
Concerto für Laute, Traverso, Viola da Gamba op. 4,3 D-Dur,
Johann Pfeiffer (1697-1761):
Sonata (Trio) G-Dur für Traverso, Violine und B. c.,
Bayreuther Lautenlied für Sopran und Theorbe „Verstelle dich, mein Engel in der Liebe“,
Bernhard Joachim Hagen (1720-1787):
Solo (Sonate) B-Dur für Violine und B.c.,
Christian Cannabich (1731-1798):
Duetto für Traverso und Violine op. 4,2 D-Dur,
Johann Balthasar Kehl (1725-1778):
Concerto für Hammerklavier, Streicher, 2 Hörner, Pauke und B.c., C-Dur.

Aus dem Vorwort:
Zur Bayreuther Musikgeschichte:
Der Bayreuther Residenzzeit (1603-1769) kommt ihrer Musikgeschichte wegen eine besondere Bedeutung unter den europäischen Fürstenhöfen zu, war sie doch getragen von den Hohenzollern, denen große Musikalität und Kunstsinn zu eigen war.
Die verwandtschaftlichen Bande zum brandenburg-preußischen Hof Berlin/Potsdam, besonders während der Zeit der hochbegabten Königstochter Wilhelmine, brachten es mit sich, daß der Bayreuther Hof nicht nur vom Austausch der Künstler profitierte, sondern selbst Magnet und Begegnungsstätte für Künstler aus ganz Europa wurde. Wie andere fürstliche Frauen, allen voran die erste preußische Königin Sophie Charlotte in Berlin, Wilhelmines Großmutter, dann in Rom Königin Christine von Schweden (deren Vorfahren auch Hohenzollern waren), begründete sie durch ihre exponierte Stellung ein bedeutendes Musikleben, das keineswegs als „Verschwendung der Mittel“ anzusehen ist, sondern als Entwicklung von Geistesleben. Viele der Bayreuther Hofmusiker waren zugleich Komponisten mit überregionaler Bedeutung, wie Drucke ihrer Werke in den Musik-Zentren Wien, London und Paris beweisen. Gäste des Hofes, z.B. aus Italien Niccolo Porpora und aus Dresden Johann Adolf Hasse wurden für die Bayreuther Hofoper bedeutsam. Nach dem Tod des Markgrafenpaares verblieben die Hofmusiker in ihrem Amt, allerdings wurden die Sänger, die französischen Komödianten und das Ballett entlassen. Die Musiker haben sich trotz der Sparmaßnahmen noch weiterentwickelt und übersiedelten 1769 an den Ansbacher Hof. Ebenso dürften sie bei den Veranstaltungen der Tochter Elisabeth Friederike Sophie auf Schloß Fantaisie in Donndorf bei Bayreuth mitgewirkt haben.

Komponistinnen, Komponisten und ihre Werke:
Als Wilhelmine (1709-1758), die älteste Tochter des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., 1732 als Gemahlin des Erbprinzen Friedrich in der Bayreuther Residenz einzog, brachte sie das Bewusstsein und die Tradition der berühmten kurbrandenburgisch-preussischen Hofkapelle mit. Sie begann im großen Saal des alten Bayreuther Schlosses und in St. Georgen am See Kammermusik und szenische Kantaten aufzuführen – wie ihre Berliner Großmutter. Dies waren erste Anfänge für ihre Operninszenierungen, die sie ab 1737 als Komponistin, Librettistin, Cembalistin, Korrepetitorin und Intendantin veranstaltete. Aufgrund ihrer hochrangigen klassischen Bildung verband sie italienisches Opernwesen mit klassischen französischen Stil-Komponenten. 1739 ließ sie das Opernhaus des Markgraf Georg Wilhelm neben dem alten Schloß von Giovanni Paolo Gaspari zu einem geräumigen Theater umbauen. Die einzige erhaltene Oper der 30jährigen Fürstin, Argenore, die sie für dieses nuovo Theatre de L`Opera komponiert hat, stellt ein Psychodrama sondergleichen dar, eine Tragödie antiken Ausmaßes. Die Arien spiegeln einen teils expressiv-empfindsamen, teils hochdramatischen Gesangsstil. Die Aria der Martesia Un certo freddo orrore („Mich überfällt ein kalter Schauer“) drückt die Vorahnung eines düsteren Schicksals ihres Bruders Ormondo aus und spiegelt Wilhelmines eigene schwesterliche Gefühle. Der Gesang blieb lebenslang Wilhelmines zentrales künstlerisches Ausdrucksmittel. Zusammen mit ihrem Bruder Friedrich II. versammelte sie bereits in Berlin junge Musiker und Komponisten um sich, womit beide den Grundstein zur „Berliner Schule“ legten.
Wilhelmine spielte Laute und Cembalo. Sie hatte den Lautenisten der Dresdener Hofkapelle Sylvius Leopold Weiß zum Lehrer, den berühmtesten Lautenisten aller Zeiten. Mit Johann Joachim Quantz, dessen Bekanntschaft sie ebenfalls 1728 in Berlin machte (dieser wurde auch Flötenlehrer ihres Mannes), dürfte er einer der Eckpfeiler für Wilhelmines musikalische Weltanschauung gewesen sein. In ihrem Concerto à Cembalo, das jetzt in seiner Originalgestalt wieder vorliegt, hat sie ihm im langsamen Satz –wenige Takte lang – ein harmonisches Denkmal gesetzt, zu erkennen an lautenmäßigen Figurationen der Solostimme und höchst gewagten Modulationen im Zusammenklang mit Solovioline und den begleitenden Instrumenten. Der erste Satz des Konzerts ist in Vivaldischer Ritornellform komponiert, die Gavotte erinnert an den 3. Satz von Händels Orgelkonzert g-moll op. VI, 3. Die Kenntnis G. Fr. Händels und J. S. Bachs darf bei Wilhelmine vorausgesetzt werden. Händel war seit 1710 Hofkapellmeister in Hannover, woher Wilhelmines Mutter Sophie Dorothea stammte, Bach besuchte das Berliner Schloss persönlich 1721 im Zusammenhang mit der Übergabe der „Brandenburgischen Konzerte“ an ihren „Onkel Ludwig“ (Christian Ludwig von Brandenburg). Über die Entstehung des Cembalo-Konzertes gibt es Anhaltspunkte: Die Concerto-Form beschäftigte die Geschwister seit 1732, wie aus Briefen zu entnehmen ist. Im April 1734 war Wilhelmine mit den Vorbereitungen zur Hochzeit ihrer Schwägerin mit Herzog Ernst August von Weimar (dem Bachfreund) beschäftigt. Kronprinz Friedrich kündigte seinen (erstmaligen) Besuch sowie den seiner kleinen Kapelle aus Ruppin in Bayreuth an. Wilhelmine ihrerseits kündigte ihm eine Komposition an (…dedier mon premier Coup d`essai a l`Apolon de notre siecle…). Zu den weiteren Vorboten des Festes gehörte auch ein neuerworbenes Cembalo, das Wilhelmine in höchsten Tönen lobt: „…un cembalo qui est touts ce qu‘ on peut voir et entendre de beau étant une orage piese de cabinet pour l’ouvrage epui est d’ecaille et de Naere et le ton ce change 8 fois c’est le plus bell (bel oder belle?) Instrument comme je crois.“ Für die Einweihung dieses Instruments dürfte das Cembalo-Konzert g-moll entstanden sein, also 1734. Auch die Begleitstimmen (Basso =Violoncello) weisen es als frühestes dieser Einspielung aus, nämlich vom Typ Concerto a 5. Das Komponieren hatte Wilhelmine schon in Berlin gelernt, in Bayreuth gehörten Hofkapellmeister Johann Pfeiffer, der Lautenist Adam Falckenhagen und der Violinist und Gast Franz Benda zu ihren Lehrern. Sie stellten die erste Garde der Musiker in ihrer Ära.