Description
OEuvres pour piano/Klaviermusik/Piano Music
Edition en 10 recueils/Edition in 10 Bänden/Edition in 10 volumes
Volume 1: Femmes de Légende
Besetzung: Klavier
Edition: Partitur
Herausgeber: Eberhard Mayer
Schwierigkeit: mittelschwer
Inhalt: Mélisande, Desdémona, Ophelie, Viviane, Phœbé, Omphale und Salomé
Die stilistische Vielfalt der Klaviermusik von Mel Bonis, die sich aus der langen Zeitspanne ihrer Entstehung erklärt (1888-1937), vermittelt zudem den Eindruck, als habe sie einen Abriss der Klaviermusik im historischen Wandel zeichnen wollen. Die historischen Reminiszenzen werden dabei durch ihre persönliche Tonsprache in zeitgenössische Klänge verwandelt. Die Universalität und der Wert ihres Klavierwerks bilden eine wichtige Brücke von der Romantik zur französischen Postromantik, und viele ihrer Klavierstücke stellen durch ihren harmonischen Erfindungsreichtum einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung des französischen Impressionismus dar. Der erste Band enthält eine Serie von musikalischen Portraits legendärer Frauen. “Wie konnte es nur geschehen, dass diese Komponistin bis heute nahezu unbekannt geblieben ist? Beim Durchspielen des vorliegenden Bandes gerät man auf nahezu jeder Seite erneut in Begeisterung über die ausgereifte Qualität und die pure Schönheit dieser Musik. … Femmes de Légende besticht durch das gesamte Spektrum musikalischer Ausdrucksmöglichkeiten.” (Piano News 2004)
„Femmes de légende“
Mel Bonis muss besonders von großen Frauengestalten aus Mythologie und Literatur gefesselt worden sein. Den Frauengestalten Mélisande, Desdémona, Ophelie, Viviane, Phœbé, Omphale und Salomé sind jeweils charakterzeichnende Stücke gewidmet, die in der Entstehungszeit zwischen 1898 und 1913, meist bei Leduc, veröffentlicht wurden und jetzt zusammengefasst als Band I der Klaviermusik von Mel Bonis erscheinen. Lediglich „Ophélie“ wurde erst 1997 als Manuskript wiedergefunden und 1998 bei Armiane in Versailles herausgegeben.
Mélisande (1898)
Wie Debussy nach ihr lässt sich auch Mel Bonis von Maeter-lincks Werk „Pelléas et Mélisande“ (1893) inspirieren. Diese wenigen Seiten beschreiben mit ihren magischen Harmonien und ihren leuchtenden impressionistischen Farben die Wirkung der Haarpracht Mélisandes, wie Pelléas sie beschreibt: „… deine Haare und ihr schönes Licht, sie lösen sich über-all, sie flattern, sie bewegen sich, sie zittern in meinen Händen wie goldene Vögel“.
Das Stück ist ein zartes romantisch-impressionistisches Gebilde, das von Pierné besonders geschätzt wurde: „Ich habe die wunderbare Bekanntschaft ihrer ‚Mélisande‘ gemacht, deren melancholische Grazie und schöne pianistische Schreibweise ich zu schätzen weiß. Ich beglückwünsche Sie von ganzem Herzen. Und in voller Aufrichtigkeit werde ich alle diejenigen auf dieses Werk aufmerksam machen, die ich für wert halte, es zu interpretieren.“ (G. Pierné).
Desdémona (1913)
Die weibliche Figur in Shakespeares „Othello“ inspiriert Mel Bonis zu einem leicht zugänglichen Stück eher klassischen Zuschnitts von melancholischer Schönheit. Einfache melodische Strukturen im Sinne eines Liedes ohne Worte zeichnen das Bild der zu Unrecht von der Eifersucht ihres Gatten Verfolgten.
Ophélie (o. J.)
Die Geliebte des Shakespeare’schen Hamlet, eine tief melancholische Persönlichkeit, verliert den Verstand und ertrinkt unter geheimnisvollen Umständen. So wie sie den Dichter Rimbaud und den Maler Millais zu Meisterwerken angeregt hat, lässt sich auch Mel Bonis durch dieses Bild von Wasser, Schwermut und Tod zu einer musikalischen Umsetzung von zarter Schönheit inspirieren. Es ist dies das impressionis-tischste Stück dieses Bandes. Auch hiervon existiert ein undatiertes Manuskript einer Orchesterfassung.
Viviane (1909)
In diesem klar strukturierten Stück versucht die Komponistin die Wasserfee Viviane – eine Gestalt aus der Artussage – in ihrem Lebensbereich und ihrer Beziehung zu dem Zauberer Merlin musikalisch zu zeichnen. Das Hauptthema, das drei-mal wiederholt wird, bringt in der Einfachheit seiner Walzer-form den Zauber und das Lächeln der Fee zum Ausdruck, während in eher majestätischen Momenten das Bild des Unterwasserschlosses und die Macht der Fee heraufbeschworen werden.
Phœbé (1909)
Die Schwester des Sonnengottes Phoebus symbolisiert den Mond, die Nacht und die Keuschheit und bestimmt so die Atmosphäre eines Nachtstücks. Mit all seinen Zwischentönen, seiner leisen Wehmut und seinem Eindruck von Unend-lichkeit vermittelt es das Gefühl des Irrealen. Die rhythmischen Eigenheiten vermitteln ein Gefühl der Fremdheit.
Salomé (1909)
Orientalische Einflüsse kennzeichnen den Versuch, die bibli-sche Gestalt der Salome musikalisch darzustellen. Häufiger Taktwechsel, überraschende Rhythmusschwankungen, Extremdynamik, Glissandi und verlängerte Synkopen schaffen eine Atmosphäre von geheimnisvoller Sinnlichkeit und entfesselter Gewalt und stellen den Interpreten vor eine schwierige, aber interessante Aufgabe.
Von diesem Werk existiert ein, allerdings undatiertes, Manuskript einer Orchesterfassung.
Omphale (1910)
Omphale, Königin von Lydien, ist eine Gestalt der griechi-schen Mythologie. Anders als in Saint-Saens’ sinfonischer Dichtung „Das Spinnrad der Omphale“ versucht Mel Bonis den vielschichtigen Charakter und die unheilvoll sinnliche Ausstrahlung der Herrscherin zu schildern. Die harmonisch und rhythmisch komplexe Schreibweise verlangt bei der Ausführung außergewöhnliche gnostische und technische Fähigkeiten und lässt vermuten, dass die Komponistin an eine spätere Orchestrierung gedacht hat.
Das Werk ist anlässlich eines Wettbewerbs entstanden, den die Berliner Zeitschrift „Signale für die musikalische Welt“ ausgeschrieben hatte. Es wurde preisgekrönt und im Verlag gleichen Namens veröffentlicht.