Zum 100. Geburtstag der Komponistin Ruth Esther Schonthal
von Klaus Gehrke
Ruth Schonthals 100. Geburtstag 2024 ist Thema 22. Juni um 22:05 Uhr beim Atelier Neuer Musik im Deutschlandfunk.
Ihr Leben und ihre Karriere sind geprägt von außergewöhnlichem Talent, Überwindung von Widrigkeiten und künstlerischer Innovation.
Ruth Schonthal wurde am 24. Juni 1924 in Hamburg geboren. Bereits im Alter von fünf Jahren zeigte sie ihre außergewöhnliche Begabung und wurde in den 1930er Jahren in Berlin als Wunderkind gefeiert. Ihre musikalische Ausbildung begann sie am Stern’schen Konservatorium in Berlin, wo sie Klavier, Musiktheorie und Komposition studierte, bis sie 1935 im Alter von neun Jahren aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten relegiert wurde.
Die Emigration führte sie zunächst nach Stockholm, wo sie sich an der Königlich Schwedischen Akademie für Musik einschrieb und 1940 ihre erste Komposition, die Sonatine für Klavier, veröffentlichte. Aufgrund der unsicheren politischen Lage emigrierte sie 1941 mit ihrer Familie nach Mexiko. Dort studierte sie Komposition bei Manuel María Ponce und erlangte sowohl als Komponistin als auch als Pianistin große Erfolge. Ihr Weg führte sie schließlich nach New Haven, USA, wo sie von 1946 bis 1948 bei Paul Hindemith an der Yale University studierte. Nach ihrem Abschluss verdiente Schonthal zunächst ihren Lebensunterhalt mit der Komposition von Werbe-Jingles und Popsongs. Mit steigendem Erfolg als Komponistin trat sie als Interpretin eigener Werke auf und wurde schließlich Dozentin am Westchester Conservatory of Music. Bis zuletzt war sie als Professorin für Komposition an der New York University tätig. Nach Deutschland reiste sie erst wieder 1980, 42 Jahre nach ihrer Emigration. In der Folge unternahm sie zahlreiche Konzert- und Vortragsreisen. Der Furore Verlag verlegt seit 1997 Schonthals Kompositionen, und die Berliner Akademie der Künste richtete 1999 das Ruth-Schonthal-Archiv mit Briefen, Fotos und Dokumenten ein. Ihr Werkverzeichnis umfasst über 100 Musikstücke, darunter drei Opern, zahlreiche Orchesterwerke, Ballettmusik und Lieder.
Ruth Schonthals Musikstil wurde von der New York Times als eine eklektische Mischung aus der europäischen Musiktradition, der mexikanischen Volksmusik, der Aleatorik und der Minimal Music beschrieben. Ihr künstlerisches Erbe wurde der Berliner Akademie der Künste übergeben, wo auch das Ruth-Schonthal-Archiv zu finden ist.
Sie starb am 11. Juli 2006 in Scarsdale bei New York City.
Ruth Schonthals innige Verbundenheit zu ihrer Musik und ihr unermüdlicher Einsatz prägten ihre Schaffenskraft. Die tiefe Hingabe zu ihrem musikalischen Ausdruck war für sie nicht nur ein künstlerisches Prinzip, sondern vielmehr eine Lebensphilosophie, die sie durch ihre Werke vermittelte.
„.Für mich“, so Schonthal, „sind die gegensätzlichen Elemente, die entgegengesetzten Enden ein und dieselbe Sache. Sie haben eine magnetische Anziehungskraft zueinander, sie sind nie statisch. Ich verbinde bewusst das gute alte mit dem guten Neuen, weil ich aus demselben Milieu komme und weil ich glaube, dass jede Revolution das Kind mit dem Bade ausschüttet. Ich bin nicht religiös, aber ich glaube an einen Geist der Hingabe“.
Wir hoffen, dass ihre Werke die weltweite Aufmerksamkeit auf den Konzertbühnen erlangen, die sie zweifellos verdienen — ganz besonders zu ihrem 100. Geburtsjahr 2024.
Ruth Schonthal – Veranstaltungen 2024:
Konzerte:
27. Juni 2024, 19:30 Uhr
Ruth Schonthal – ihr Leben und ihre Zeit (I)
Erster Teil einer dreiteiligen Hommage
Veranstaltungsort: Mendelssohn- Remise
Jägerstraße 51, 10117 Berlin
mit: Theodor Flindell & Maressa Portilho (Violinen)
Amanda Bailey (Viola) und
Petra Kießling (Violoncello)
weitere Informationen
Radiobeitrag:
Deutschlandfunk Kultur
Vielleicht ist Heimat immer da, wo ich nicht bin. Die Komponistin Ruth Schonthal
Tagung:
27. Juni 2024, Carl Orff Auditorium HMTM München
Exil komponieren: Ruth Schonthal zum 100.Geburtstag
Öffentliche Tagung über Ruth Schonthal des Musikwissenschaftlichen Instituts der HMTM München
Insgesamt 5 Vorträge mit den Gästen Tina Frühauf, Bernd Redmann, Dorothea Hofmann, Friedrich Geiger und Tobias Reichard mit Konzert